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Leseprobe

 

 

 

 

Quasselstrippen

 

© Rene LeMaire

 

Als Walter Bücher das 12 Stockwerke hohe Bürogebäude betritt, ahnt er noch nicht, was ihn heute erwartet. Er ist, wenn man will, ein Nerd, zumindest rein äußerlich. Leicht abgetragene Sneakers, legere Jeans und ein dunkles Hemd, das alles in dunkelblau beziehungsweise in schwarz. Das hat etwas mit der Tagesform zu tun, richtet sich aber grundsätzlich nach dem Einstein´schen Prinzip, immer das relativ sauberste aus dem Schrank zu nehmen, aber ohne sich zwischen zu vielen Klamotten entscheiden zu müssen. Ansonsten schauen da zwei hellwache braune Augen aus dem mit einem Vollbart umrahmten und von nahezu schwarzen Locken gekrönten Gesicht; man neigt dazu ihn als feingliedrig zu bezeichnen. Meistens lächelnd trällert Walter ein Liedchen vor sich hin und wartet auf den Aufzug, denn sein Arbeitsbereich liegt exakt im 12ten Obergeschoss.

Dort angekommen wendet sich Walter oder „Schraube“, wie ihn seine Kolleginnen und Kollegen nennen, nach links und geht auf die mattgläserne Tür zu, die das Logo von SCC ziert. Mit einem Fingerscan aktiviert Walter den Türöffner und er steht im Foyer. Es ist ein quer zur Eingangstür angeordneter rechteckiger Raum, der rechts und links von der Tür von jeweils einem schwarzen Zweisitzer flankiert wird; davor zwei viereckige Glastische, die mit Zeitschriften dekoriert sind. Gegenüber des Eingangs befindet sich der Counter, also der Empfang. Von vorne kaum wahrnehmbar, aber dahinter steckt die geballte Steuerung dieses Unternehmens. Und wer macht das? Niemand geringeres als Eva Maria König. Die Mitvierzigerin aus Österreich läßt niemanden so schnell in einen anderen Bereich vordringen. Gäste und Kunden begrüßt sie freundlich, aber bestimmt, so das kein Zweifel aufkommt, wer hier das Sagen hat! Ihr dezentes, aber durchaus ansprechendes Äußeres läßt hier erkennen, daß es sich bei Frau König um eine Dame von Welt handelt. Als sie Walter Bücher erblickt, der mal wieder seine schon sehr abgeschabte Lederjacke über der Schulter hängen hatte, spitzt sie ihren Mund und man hört sie sagen: “Wenn ich nicht wüßt´, daß sie hier schaffen, tät ich ihnen eine Groschen spenden und sie wieder hinaus schmeissen!“ Walter entgegnet lächelnd: „Und wenn ich von ihnen mal freundlich begrüßt würde, hätte ich nichts Besseres zu tun, als an der Tür noch mal nachzuschauen, ob ich hier richtig bin!“ Nach diesem Stutenbiss kümmerte sich Frau König wieder um ihren Welcome desk und Walter drehte sich nach rechts, wo es an der ersten Türe links zu den Sozialräumen geht.

 

 

 

 

 

 

 

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